Schwänzen für Pegida?

Schwänzen für Pegida?

Greta Thunberg, 16-jährige schwedische Schülerin, geht Freitags nicht zur Schule. Sie hat Angst vor dem Klimawandel und will mit dem Schule schwänzen protestieren. Jetzt ist es nicht so außergewöhnlich, dass Heranwachsende Ängste haben und diese möglichst mit der ganzen Welt teilen wollen. Meist nehmen doch nur Familie, Freunde und Lehrer davon Notiz. Bei Greta ist das anders. Ihr Protest führte sie bis zum Weltwirtschaftsforum in Davos. Kaum ein Minister bekommt soviel Aufmerksamkeit durch die Presse. Sie ist das neue Postergirl der Klimaaktivisten. Dafür kann sie nichts. Sie bringt einfach alle Zutaten mit, die ins Raster (links) ökologischer Kampagnen passen: betroffen, authentisch und fotogen. Jeder erwachsene Politiker oder Aktivist müsste kritische Fragen aushalten über die technischen Probleme, die finanziellen Folgen oder die Umwelt- und Gesundheitsprobleme in den Abbauländern von Lithium und Kobalt. Innerhalb weniger Jahre aus Atomkraft und Kohle auszusteigen ist nicht ganz trivial. Greta muss darauf als Jugendliche keine Antworten geben. Und die Presse muss bei ihr nicht danach fragen. Das ist der große Wert von Greta für Klimaaktivisten und ökolinke Journalisten. Kampagnen und Berichterstattung können vollständig auf die emotionalen Themen Zukunftsangst und Betroffenheit fokussiert werden.

Natürlich kann Greta die Welt nicht allein retten. Eigentlich wäre es sinnvoll, wenn andere gleichgesinnte Jugendliche Sonderschichten in Mathematik und Technik einlegen, damit sie in einigen Jahren auch die praktischen Probleme der Energiewende lösen können. Stattdessen soll es in ganz Deutschland Schülerdemos für mehr Klimaschutz geben – während üblicher Unterrichtszeiten. Die Schüler werden zum Schule schwänzen aufgerufen. Die Fragestellung, ob der Protest wichtiger sei als Unterricht, wird gezielt herbeigeführt. Es wird sogar versucht, die Neutralitätspflicht der Schulen zu unterlaufen: „Außerdem kannst du versuchen deine Lehrer*innen bzw. deine Schulleitung davon zu überzeugen, die Demonstration als Schulveranstaltung, quasi als Exkursion anzusehen.“ (https://fridaysforfuture.de/faq/#legal). Dass es vielleicht Schüler gibt, die die Forderungen gar nicht teilen, spielt keine Rolle. Die ganze Aktion soll die linke Tradition des sogenannten zivilen Ungehorsams wieder aufleben lassen. Während die Website sich auf den ersten Blick als Bewegung der jungen Generation ausgibt, wird unter der Frage „Wo kann ich mich mit anderen treffen?“ zu BUND, Naturfreunde und Greenpeace verlinkt.

Natürlich wird der Protest von vielen Jugendlichen aus voller Überzeugung getragen. Es ist auch erfreulich, wenn Jugendliche sich politisch engagieren und für ihre Zukunft kämpfen. Es ist aber auch in der ganzen Kampagnenführung erkennbar, dass die etablierten Netzwerke im Hintergrund steuern.

Statt Schule zu schwänzen wäre es besser, dass die Schulen sich mit dem Thema befassen. Bei so viel Interesse steigt sicher die Lernkurve. Eine wirklich kritische Auseinandersetzung mit dem Thema! Fragestellungen gibt es zuhauf: Wie entstehen die Prognosen zum Klimawandel? Wie groß ist die mögliche Abweichung bei verschiedenen Szenarien? Wo sind die Erkenntnisgrenzen bei einem derart komplexen System wie dem Klima? Welche Speichertechnologie ist schon reif, was sind Hoffnungswerte? Wie stabil ist das Stromnetz bei immer mehr Solar- und Windenergie? Was bedeutet die Kombination von schwankender Sonnen- und Windenergie mit gasbetriebenen Blockheizkraftwerken? Wie stark steigt dann die Abhängigkeit von russischem Erdgas? Brauchen wir die Förderung bestimmter Technologien oder reicht nicht doch eine Besteuerung über CO²-Zertifikate. Führen nationale Alleingänge nicht nur dazu, dass energieintensive Produktion ins Ausland abwandert? Die Frageliste ist sicher nur ein Anfang. Das wäre doch ein wirklich interessantes, fächerübergreifendes Thema. Gerne selbst organisiert. Mit Offenheit für alle Seiten.

Was hat das alles mit der Überschrift „Schwänzen für Pegida?“ zu tun? Stellen Sie sich vor, eine 16jährige Schülerin hätte Ängste wegen einer Islamisierung Deutschlands. Sie würde aus Protest deshalb an einem festen Wochentag immer die Schule schwänzen. Andere Kinder sollten ihr folgen und statt zum Unterricht auf Pegida-Demonstrationen gehen, die extra während der Unterrichtszeit angesetzt würden. Und die Initiatoren schrieben auf ihrer Website „Außerdem kannst du versuchen deine Lehrer*innen bzw. deine Schulleitung davon zu überzeugen, die Demonstration als Schulveranstaltung, quasi als Exkursion anzusehen.“ Der Aufschrei wäre riesengroß.

Die Gegenwehr würde auf dem Fuße folgen: Das sei doch gar nicht vergleichbar. Wir sind die Guten, dort sind die Bösen. Und so weiter …Sie übersehen dabei, dass jeder, der zum Schule schwänzen aufruft, die Grundlagen unseres liberalen Staates aushöhlt. Der Staat, und dazu zählen auch die öffentlichen Schulen, darf innerhalb der Grenzen unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung eben nicht werten, welcher Protest wichtiger als Unterricht ist und welcher nicht. Wer diese Maxime abschafft, wird irgendwann Verhältnisse wie früher in der DDR oder heute in der Türkei ernten. Wehret den Anfängen.

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